Der Mann für’s Feine, der keine Fotos von sich mag. Meist ist es Lea, die spontane Ideen hat, aus denen dann letztendlich unsere Formate werden. Gemeinsam arbeiten wir dann aus den spontanen Einfällen die endgültigen Arbeiten heraus.
Ich bin echter Lübecker, lebte zuerst in St. Lorenz Nord, später nördlich der Trave, erst in Siems, dann in Kücknitz.
Mein Verhältnis zur Geschichte war schon immer zwiegespalten. Während ich die Sache selbst schon in meiner Kindheit sehr spannend fand, stieß mir das Schulfach Geschichte immer sauer auf. Endlose Texte und unten drunter „Analysieren Sie die Hunnenrede Kaiser Wilhelms II. und ordnen Sie sie in den zeitgeschichtlichen Kontext ein“. Vorher wurden Daten auswendig gelernt und ein paar andere Quellen „eingeordnet“. Dazu fiel mir immer nur ein Wort ein: laaaaangweilig! Naja, noch ein anderes Wort, das eignet sich aber nicht dazu, es zu veröffentlichen.
Daher begann ich nach dem Abi mein Studium auch erst einmal mit zwei anderen Fächern: Latein und Philosophie. Und ich merkte bald, warum kaum jemand in Kiel diese spezielle Fächerkombination zu einem Abschluss bringt: beide Fächer erfordern einen beeindruckenden Einsatz. Während in Latein nicht nur die Grammatik zu lernen ist, sondern auch Seiten über Seiten an Text übersetzt werden müssen, ist es nichts Ungewöhnliches, in Philosophie von einer Woche auf die nächste rund 150 Seiten, zu deren Verstänbdnis man jede einzelne Seite durchaus öfter einmal mehrmals lesen musste, vollständig durchdrungen haben zu müssen.
Währenddessen sah ich aber bei meiner Partnerin, was eigentlich an der Uni in Geschichte passiert und es interessierte mich. Plötzlich hatten in dem verhassten Schulfach Inhalte Platz, die es an der Schule nie gegeben hatte. Aussagen wie „Die Menschen zu Kaiser Wilhelms II. Zeiten waren konservativ eingestellt“ mussten nicht mehr gelernt werden, sie wurden sogar hinterfragt und geprüft. Es wurde nicht nur verschämt zugegeben und schnell das Thema gewechselt, wenn es Wissenslücken gab, es wurde angeregt, diese Lücken zu schließen und vermittelt, wie man das macht.
Und dann kam die museale Arbeit dazu. Durch einen Zeitungsartikel wurden meine Partnerin und ich darauf aufmerksam, dass bei der Erstellung der Ausstellung „Vertrieben – verloren – verteilt. Drehscheibe Pöppendorf 1945 – 1951“, die von 2018-2019 im Industriemuseum Geschichtswerkstatt Herrenwyk zu sehen sein sollte, noch Hilfe gesucht war. Wir meldeten uns und wurden gleich eingebunden, führten Archivrecherchen durch, überarbeiteten Ausstellungstexte, halfen, Exponate auszuwählen und überlegten uns technische Lösungen für die Ausstellung.
Als die Ausstellung schließlich stand, übernahmen wir das pädagogische Programm. Wir hielten Workshops mit Schulklassen ab, gaben Führungen, hielten Vorträge, veranstalteten Zeitzeugennachmittage und entdeckten dabei, dass dies die Arbeit war, die uns wirklich Spaß machte und für die wir auch ein gewisses Händchen hatten. Beide hatten wir viel Spaß dabei, mit den Besucherinnen und Besuchern gemeinsam die Ausstellung immer wieder aufs Neue zu entdecken.
Diese Arbeit haben wir in den folgenden Jahren in der Geschichtswerkstatt Herrenwyk weiter geführt. Hier konnten wir uns ausprobieren und viele neue und spannende Konzepte entwickeln. Immer wieder werden wir selbst heute noch nach einer Fortsetzung von „Nachts im Museum“ gefragt, einer Veranstaltung, die wir zu Halloween 2022 erdacht hatten, bei der im Rahmen einer durch Laienschauspieler/innen unterstützten Führung den Besucher/innen grausame und gruselige Begebenheiten aus der Geschichte des Hochofens in Herrenwyk präsentiert wurden. Von 2019 bis 2025 haben wir alle Museumstage und Denkmalstage in Herrenwyk geplant, gestaltet und durchgeführt, stets mit viel positiver Resonanz.
Immer wieder haben wir gezeigt, dass Bildung und Spaß eben doch zusammen passen. Dass eine Veranstaltung mit Eventcharakter auch auf die grundlegenden Zusammenhänge führen kann und in die Tiefe gehen kann und nicht immer nur an der Oberfläche bleiben muss. Dass historische Bildung nicht nur aus vier Din-A4-Zetteln und einer Stunde Zeit bestehen muss, sondern auch lebendig und spannend sein kann.
Parallel dazu arbeitete ich zunächst in der Besucherbetreuung eines internationalen Vergnügungskonzernes. Hier lernte ich die Idee einer professionell aufgebauten Besucherbetreuung kennen und schätzen. An einem Ort, der eigentlich didaktisch kaum einen Wert hat und auch nur für sich stehend wenige zufriedene Kunden hervor brachte, sorgte diese Besucherbetreuung dafür, dass die Besucher neue Dinge lernten, Spaß an der Sache hatten und immer und immer wieder kamen.
Später begann ich als Vertretungslehrer an verschiedenen Schulen zu arbeiten und lernte das Schulsystem und den Lehreralltag intensiv kennen. Vorher hatte ich mich immer gefragt, warum so wenige Klassen überhaupt Ausflüge, ganz gleich ob in Museen oder einfach mal zur Falkenwiese (für die Lübecker) machen. Im Alltag zwischen Klassenkonferenzen, Testkorrekturen, Streitschlichtereien, Pausenaufsichten, Unterrichtsvorbereitung, Tröstedienst und dem berüchtigten Führen des Klassenbuches nach allen (!) Vorschriften lernte ich schnell, warum das so ist. Einen Dienstreiseantrag schreiben, einen Elternbrief verfassen, das Geld vorstrecken, es dann wieder zusammen zu bekommen, die Reise selbst zu organisieren, einen Termin zu finden, den Ausflug inhaltlich vorbereiten, das frisst alles viel Zeit, Nerven und Arbeit.
Aber Nutzen und Wirksamkeit außerschulischer Lernorte sind nicht nur gut dokumentiert, sie bieten auch eine pädagogisch sehr nützliche Unterbrechung des Schulalltages und machen den Schülerinnen und Schülern klar, dass Lernen nicht nur an einem Tisch sitzend und von vorne zugetextet stattfindet. In unserer musealen Arbeit haben wir bei vielen Kindern und Jugendlichen, aber auch bei Erwachsenen die Freude am Entdecken des Neuen auch im Bekannten geweckt und jetzt wagen wir den Schritt, diese Arbeit auf ein breiteres Fundament zu stellen und sie aus Herrenwyk hinaus zu tragen.
